On Writing – henne oder Ei
Stephen King hat On Writing in drei Teile eingeteilt:
- Eine kleine Autobiografie,
- eine Abhandlung über die Grundvoraussetzungen zum Schreiben (On Writing)
- und einen Abschnitt On Living, er nennt es Postscript.
Ich würde sagen, es ist der große Schlussakkord seines Buches. Padam! Denn während er in den ersten zwei Kapiteln sowohl emotional als auch logisch an das Schreiben herangeht, herrscht im letzten Kapitel eine Stimmung von Chaos und, hm, surrealem Horror. Was natürlich nicht zufällig genau das ist, was seine eigenen Bücher ausmacht.
Auch schon im ersten, autobiografischen Teil ist Horror in ganz alltäglicher Form vorhanden: Arztbesuche und Behandlungen mit unerträglichen Schmerzen als Kind, extreme Armut und absurde Jobs als junger Familienvater, starke Alkohol- und Drogensucht sowie Entzug später. Dazwischen irgendwo der Erfolg. Man hat fast das Gefühl, er ist ein weiterer Horrorfaktor, aber Stephen King sagt das nie. Ich frage mich: Was war eher? Henne oder Ei? Der Horror oder der Wunsch, diese Art von Erfahrungen zu machen?
Henne oder Ei
Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals in meinem Leben ein Handwerk erlernen werde. Und beim Lesen in Büchern über das Schreiben, ist es schön zu merken: Du verstehst etwas von diesem Handwerk. Ich bin in einer Akademikerfamilie aufgewachsen: Mutter Doktor, Vater Professor, die meisten Tanten und Onkel Lehrer. Doch ich bin nicht dafür gemacht. Wenn man seine Puppenkleider mit Tesafilm „näht“, dann ist allerdings auch Handwerk keine echte Alternative. Mütterlicherseits und großmütterlicherseits gab es einige Hallodries und Spieler und irgendwann war mir klar, dass ich vermutlich mehr das Erbgut dieser Seite geerbt habe, denn alles, was etwas verboten oder gefährlich oder riskant ist, zieht mich magisch an.
Handwerk und Erfahrungen
Dann natürlich die Frage: Was wird man mit dieser Mischung? Und warum ist man schließlich etwas Bestimmtes geworden? Ich wundere mich immer, wenn in Biografien von Autoren steht: „Ich habe immer schon viel gelesen und viel geschrieben.“
Nun, logisch, das ist dein Handwerk, das hast du doch hoffentlich gelernt. Ich möchte ja auch bitte nicht, wenn ich mir die Werbebroschüre eines Bäckers ansehe, lesen: „Ich habe schon immer viel gebacken.“ Davon gehe ich mal aus.
Meine Frage an den Autor ist: Hast du irgendetwas (erlebt), das sich aufzuschreiben lohnt? Stephen King hat natürlich viel gelesen und viel geschrieben. Sein Handwerk gelernt. Er sagt, dass es eine der Hauptvoraussetzungen für das Schreiben ist. Absolut einverstanden. Doch was seinen Texten den besonderen Kick gibt, ist sicher etwas anderes. Ich denke, es ist zu einem großen Teil sein Leben. Seine Lebenserfahrungen.
Schreiben
Als ich mein erste Buch schrieb (Radio Gaga) stellte ich zum ersten Mal fest, dass es nicht möglich ist, einen Protagonisten einfach sterben zu lassen. Jedenfalls nicht, ohne der Geschichte und seinen Charakteren zu schaden (Das Buch ist der Boss!). Ich habe auf das Buch gehört und fand mich großzügig.
Beim dritten Buch hatte sich das Kräftverhältnis schließlich so umgekehrt, dass ich Angst hatte, im Skiurlaub zu verunglücken, weil ich dem Hauptprotagonisten in meiner Geschichte einen üblen Skiunfall angehängt hatte. Henne oder Ei. Ich war richtig erleichtert, als bei einem Sturz meine (echt teure) Ray-Ban-Sonnenbrille kaputt ging und ich sie sie sofort als Ersatzopfer anbieten konnte. Ist das verrückt? Ich weiß es nicht genau, aber je länger ich schreibe, desto sicherer bin ich, dass zwischen dem Leben und dem Schreiben eine sehr enge Beziehung besteht, die man nicht unterschätzen darf. Vermutlich trifft das auch auf andere Künste wie Schauspielerei/Bildende Kunst/Musik etc zu.
Mir gefällt außerordentlich, dass Stephen King dies nicht nur genauso sieht, sondern es in seinem Buch auch ausdrückt//zeigt//beschreibt. Leben und Schreiben – gehören zusammen.
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